Wer zu Maggie Entenfellner in die „Tierecke“-Redaktion der „Kronen Zeitung“ kommt, wird zuerst von Heidi und Louise, den flauschigen Baumwollhündchen, begrüßt. Ich habe beim Interview viel von den drei klugen Damen gelernt. Von Karin Podolak
Die beiden Cotton de Tuléar-Hundeschwestern waren erst 2 Tage alt, als sie aus einer Notlage gerettet wurden und haben nun seit 2017 ihr Für-immer-Zuhause bei der prominenten Journalistin gefunden. Auch ich kann mich dem Charme vom eleganten „Dreimäderlhaus“ nicht entziehen. Warum auch? Tierschutz ist weit mehr als „nur“ auf sein Haustier zu schauen. Es bedeutet, das Leben an sich wertzuschätzen.
Liebe Maggie, du bist mit deinem Team in der „Krone“ und dem „Verein Freunde der Tierecke“ derzeit ganz besonders in der Unterstützung von Menschen engagiert, die mit ihren Tieren aus der Ukraine flüchten mussten. Wie hat das begonnen?
Ganz am Anfang, als die ersten Personen aus dem Kriegsgebiet angekommen sind – die meisten reisten damals gleich weiter –, bin ich an einem Sonntag am Wiener Hauptbahnhof gestanden mit einem Auto voller Futter und Zubehör, von dem ich mir gedacht habe, das könnte gerade gebraucht werden. Nach einigen Tagen, als die Nachfolgenden dann im Aufnahmezentrum im 2. Bezirk untergebracht wurden, hat man gesehen, welche unglaublichen Strapazen viele Menschen auf sich genommen haben, um ihre geliebten Tiere zu retten. Bilder, die ich nie vergessen werde: Eine Frau etwa, die ihre Großmutter im Rollstuhl schob, auf deren Schoß ein schon ganz durchgeweichter Pappkarton mit einer Katze drin. Oder ein Hund, der keine Hinterbeine mehr hat, und dessen Rollwagerl im Krieg zerbombt wurde. Sein Frauerl hat ihn bis hierher in ihren Armen getragen. Ich bin so froh, dass wir rasch helfen und den erforderlichen Bedarf – Futter, Katzenklos, Leinen, Geschirr etc., auch tierärztliche Versorgung – zur Verfügung stellen konnten. Es gibt eine Kooperation mit der Bundeskammer der Tierärzte, mit der VetMed usw. „Fressnapf“ Wien hilft unbürokratisch mit Sachspenden. Das ist auch nicht selbstverständlich!
Was antwortest du darauf, wenn jemand sagt, man müsse zunächst den Menschen helfen?
Aber das hängt doch alles zusammen! Ich bin dankbar, dass „Train of Hope“ auf die Gesamtsituation achtet, denn es geht weit über Tierschutz hinaus. Menschen lassen sämtliches Hab und Gut zurück, wenn sie nur ihr Haustier mitnehmen können und sich nicht von ihm trennen müssen. So liegt unser Fokus eben auf allen, die unsere Hilfe benötigen. Viele Flüchtlinge waren total überrascht und gerührt, dass nicht nur ihnen geholfen wurde, sondern auch ihren Tieren.
Wie lässt sich das alles finanzieren?
Es ist tatsächlich einiges zu stemmen, aber unser Netzwerk, das wir jahrzehntelang aufgebaut haben, funktioniert. Mein Dank gilt zum wiederholten Mal der „Krone“ und jedem einzelnen Spender. Das Einzigartige: Aufgrund der bereits vorhandenen Strukturen kann jeder Cent direkt und vollständig ohne Abzug für Bürokratie, Verwaltung, Administration, Raummiete etc. weitergegeben werden. Wir machen damit aus 1 Euro 3! Auch, weil uns viele Freiwillige unentgeltlich ihre Zeit und Dienstleistung schenken.
Die „Tierecke“ unterstützt ja seit langem bedürftige Tierhalter in Österreich. Wie läuft das ab?
Der Grundgedanke: Es kann nicht sein, dass sich eine Mindestrentnerin, eine Alleinerzieherin oder ein Kind in einer armutsgefährdeten Familie von seinem Haustier trennen muss, weil das Geld für das Futter nicht mehr reicht. Wenn an unseren Verein die Bitte um Unterstützung herangetragen wird, helfen wir nach Prüfung der Situation gezielt mit Sachspenden, Übernahme von Tierarztkosten, Futter. Es fließt kein Geld. Aber jeder, der Hilfe braucht, soll sie schnell und direkt erhalten. Mein Team ist ununterbrochen am Ball. Österreichweit.
Ein Herzensprojekt ist nun angelaufen, das du fast 20 Jahre lang vorbereitet hast. Worum geht es?
Mit der Volkshilfe Wien, die ja im Pflegefall vor Ort ist und Bescheid weiß, wenn etwa jemand bettlägrig wird und niemanden hat, der sich um sein Haustier kümmert, gibt es nun seit etwa einem Jahr die Aktion „ A G´spia für’s Tier“. Warum soll sich eine 90-jährige Frau von ihrem 14-jährigen Dackel trennen, weil sie nicht mehr das Haus verlassen kann? Darunter würden beide enorm leiden. Zwei betagte Geschöpfe, die zusammengehören, darf man nicht auseinanderreißen.
In so einem Fall werden wir von den Volkshilfe-Mitarbeitern informiert und können jemanden hinschicken, der das Tier betreut, Gassi führt, zum Tierarzt mit ihm geht, was auch immer anfällt. Wir übernehmen die Kosten, wo es notwendig ist und beide sind glücklich. Dafür – aber auch für andere Projekte, etwa unser Katzenhaus – gibt es immer Rücklagen aus Spendengeldern, auf die wir rasch zugreifen können. Darauf achte ich persönlich.
Ich setze mich auch dafür ein, dass mehr Altersheime Menschen mit Tieren aufnehmen.
Zahlreiche Studien belegen den gesundheitlichen Mehrwert für Tierhalter, allein schon durch die soziale und psychische Komponente im Zusammenleben, aber auch durch die regelmäßige Bewegung, etwa beim Gassigehen mit dem Wuffi. Ist das bei dir auch so?
Ja, ganz sicher. Ich selber bin ja eher ein „schneller“ Mensch, Spazieren gehen war früher überhaupt nicht auf meiner Agenda. Aber seit ich meine zwei Hunde habe, bin ich mindestens eine Stunde täglich draußen, bei jedem Wetter. Allerdings mögen die beiden Regentage eh nicht gar so gerne (Maggie lacht verschmitzt, Heidi und Louise kuscheln sich bei der Vorstellung von Kälte und Nässe auf der Redaktionscouch noch enger zusammen).
Vor allem die Waldspaziergänge sind einfach herrlich! Nicht nur den Nerven auch die Bewegung tut uns Dreien gut. Ich hab jetzt tatsächlich das Gehen für mich entdeckt. Der Schrittzähler ist immer mit dabei. Unter 8000 pro Tag komme ich nie und das entspricht ja den allgemeinen Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil. Man schüttet auch jede Menge Glückshormone aus.
Gesunde Ernährung ist untrennbar mit biologischer Landwirtschaft und Tierwohl verbunden. Ein heißes Thema, das du immer wieder aufgreifst.
Da lasse ich nicht locker und bin im permanenten Austausch mit der Politik. Im Gesundheitsministerium ist der Tierschutz ja verankert und in den vergangenen Monaten hat sich einiges für die Transparenz für Lebensmitteln getan, Stichwort „Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte“.
Das Augenmerk muss aber noch mehr auf der Gastronomie liegen. Dort wird nach wie vor ein Großteil des importierten Fleisches verarbeitet. Ich finde, dass ich als Konsument wissen sollte, was da auf meinem Teller liegt. Es geht nicht darum, dass ich den Wirten vorschreiben möchte, das Fleisch nur aus Österreich zu beziehen, aber die Herkunft und Haltungsform sollte für den Gast ersichtlich sein. Das wird für viele Konsumenten immer wichtiger. Der Wirt weiß ja, wer seine Lieferanten sind.
Von jeder Flasche Wein, von jedem Pullover gibt es eine Herkunftsbezeichnung – da ist die Forderung auch aus Konsumentensicht gerechtfertigt. Der Gast zahlt mitunter sehr hohe Preise für ein Restaurantessen. Natürlich wäre es auch aus Gründen des Tierschutzes sinnvoll.
Wird Fleisch langsam zum Luxus?
Der echte Luxus ist nicht das argentinische Steak, das um die halbe Welt gereist ist, sondern zu wissen, wie das Tier gelebt hat und wo genau es herkommt – nämlich aus artgerechter, österreichischer Weidehaltung aus der Region, wo das Tier am Hof geschlachtet wird. Da haben wir in Österreich ein wirklich gutes Angebot und viele verantwortungsvolle Bauern. Das ist natürlich teurer, aber bei bewusstem Genuss durchaus möglich.
In der Diskussion um Billigimporte stehst du auf der Seite unserer Bauern. Warum?
Jeden Tag müssen neun Bauern ihre Höfe schließen! Ein Wahnsinn! Das kann’s doch wirklich nicht sein... Wir müssen dieses Sterben verhindern. Gerade in der Pandemie, aber auch durch den Krieg in der Ukraine hat sich gezeigt, wie wichtig heimische Lebensmittelproduktion und Selbstversorgung sind.
Kann der Einzelne überhaupt etwas verändern?
Der Konsument entscheidet mit dem Griff ins Kühlregal: Gebe ich den Auftrag für mehr Tierwohl oder nicht. Es werden leider bei uns derzeit mehr biologisch hergestellte Nahrungsmittel erzeugt als gekauft. Tatsächlich greift nur etwa 2-3% der Bevölkerung in Österreich zu Biofleisch. Das ist beschämend, denn ich glaube nicht, dass sich nur so wenige Menschen hierzulande dieses Fleisch leisten können.
Und: Das eine oder andere Mal ganz bewusst verzichten. Ich bin selber auf dem Bauernhof aufgewachsen, es hat dennoch nicht jeden Tag Fleisch gegeben. Niemand muss gleich zum Vegetarier oder Veganer werden. Aber tierische Produkte sollten wieder den Stellenwert bekommen, den sie verdienen.
Ich bin zudem überzeugt, dass, wenn ein Tier permanent unter Stress steht, Todesangst und Schmerzen hat, sich das auf die Fleischqualität auswirkt. Das kann auch für uns nicht gesund sein.
Die Werbung suggeriert uns zwar etwas anderes, aber das Leben eines Huhns, das zum Preis von 2,90 Euro angeboten wird, kann nicht lustig gewesen sein. Das geht sich nicht aus und das ist mittlerweile auch jedem klar. Aber ich möchte niemandem vorschreiben, wie er zu leben hat, und setze daher auf Information.
Engagierst du dich deshalb auch gegen Lebensmittelverschwendung?
Jeder Einzelne in unserem Land wirft pro Jahr 60 kg Lebensmittel im Gegenwert von durchschnittlich 360 Euro in den Müll. Und dann wird diskutiert, ob man sich wirklich ab und zu Biofleisch leisten soll. 58% der nicht verwendeten Lebensmittel kommen aus den Haushalten. Wir müssen aufhören, die Verantwortung immer auf die anderen zu schieben: den Supermarkt, die Bauern. Man kann nur gemeinsam etwas verändern und jeder auch selber für sich. Abgesehen davon, dass es auch für die Umwelt ein Gewinn wäre.
Aber dein Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf dem Tierschutz?
Tierschutz hat noch so viel mehr Aspekte als Tierliebe allein. Ob ich Mitleid mit der alten Frau habe, der Flüchtlingsfamilie, mich um die Natur und Umwelt sorge, die zukünftige Generation oder um die Gesundheit – da kann sich wirklich jeder wiederfinden und etwas beitragen, denke ich. Wenn das nicht der Fall ist, fehlt wahrscheinlich bei demjenigen die Empathie und das soziale Denken generell. Aber meiner Erfahrung nach, macht es die meisten Menschen glücklich zu helfen. So wie mich.
Etwas Positives bewirken
Maggie Entenfellner leitet seit 22 Jahren die „Tierecke“ der „Kronen Zeitung“ in Wien, ist Mutter einer Tochter, Journalistin, TV-Moderatorin, überzeugte Tierschützerin und selber oft in den Medien, die sie als Plattform für ihr Lebensmotto nützt: „Es ist die Aufgabe von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich für etwas Positives einzusetzen.“ Spendenkonto: IBAN: AT20 1200 0097 0632 7511, Verein: „Freunde der Tierecke“ Volkshilfe: www.volkshilfe-wien.at/pflege-und-betreuung/tierbegleitet-bewegen/